DVR Kongress 2019 – Fertility awareness bei Kinderwunschpaaren

Die Sektion Natürliche Fertilität wird vom 5.12. bis 7.12.2019 auf dem DVR Kongress in Leipzig sein. Mehr Infos dazu in diesem Breitrag:

Beitrag zum DVR Kongress 2019:

Fertility awareness bei Kinderwunschpaaren: Wie beraten, um die natürliche Fruchtbarkeit voll auszuschöpfen?

Wichtige Information für alle Kollegen/-innen, Berater/-innen und Interessierte:

Liebe Kollegen/-innen, Berater/-innen und Interessierte,
ganz herzlich möchten wir sie einladen, auf dem diesjährigen DVR-Kongress vom 05.12.-07.12.2019 in Leipzig an unserer Sitzung „Fertility awareness: Wie beraten, um die natürliche Fruchtbarkeit voll auszuschöpfen“ teilzunehmen! Wir freuen uns, ihnen aktuelle Daten zum fertilen Fenster im Spontanzyklus mit entsprechenden Konsequenzen präsentieren zu können. Verdeutlichen werden wir dies an Fallbeispielen. Weiterhin beleuchten wir den aktuellen Stellenwert von Apps und anderen Techniken zur Beurteilung der natürlichen Fertilität! Wir hoffen, sie damit neugierig gemacht zu haben und freuen uns, sie bei unserer Sitzung in Leipzig am 05.12.2019 um 10.00 Uhr bis 11:30 Uhr begrüßen zu dürfen.
Genauen Zeitpunkt, Ort und Themen finden sie im Folgenden:

Präsentationen:

  • 10:00 Uhr: Aktuelle Daten zum fertilen Fenster im Spontanzyklus und zur Konzeptionsoptimierung, Heidelberg, Deutschland
  • 10:15 Uhr: Fertility Awareness und Sexualverkehr zum optimalen Zeitpunkt – konkret beraten – Tanja Freundl-Schütt, Düsseldorf, Deutschland
  • 10:30 Uhr: Fertility Awareness bei älteren Patienten, Tanja Freundl-Schütt, Düsseldorf, Deutschland
  • 10:45 Uhr: Für den Kinderwunsch einfach und sicher, Fallbeispiele Petra Frank-Herrmann, Heidelberg, Deutschland, Tanja Freundl-Schütt, Düsseldorf, Deutschland, Lisa-Maria Wallwiener, München, Deutschland
  • 11:00 Uhr: Fertility Apps, Potential und Kritik, Lisa-Maria Wallwiener, München, Deutschland
  • 11:15 Uhr: Smarte Techniken und neue Parameter zur Bestimmung des fertilen Fensters, Tanja Freundl, Düsseldorf, Deutschland

Ort: Bach Saal, Kongresshalle am Zoo, Pfaffendorfer Straße 31, 04105 Leipzig

Mehr Infos auf: https://www.dvr-kongress.de/

Dr. Petra Frank-Herrmann, Dr. Lisa-Maria Wallwiener, Dr. Tanja Freundl-Schütt

Wir nehmen Abschied von Prof. Dr. med. Günter Freundl

Prof. Dr. med. G. Freundl

Prof. Dr. med. G. Freundl

In tiefer Betroffenheit trauern wir um unseren hochgeschätzten Mentor, Wegbereiter und Sprecher der Sektion Natürliche Fertilität

Professor Dr. med. Günter Freundl

der am 29. Juni 2019 im Alter von 81 Jahren in seiner geliebten Bergwelt unerwartet verstorben ist.

Durch seine besondere Leidenschaft für die wissenschaftlichen Erkenntnisse der menschlichen Fertilität und die vielfältigen von ihm initiierten Studien hat er über Jahrzehnte das Ansehen und die Verbreitung der modernen Natürlichen Familienplanung national und international entscheidend geprägt.

Sein medizinisches Studium absolvierte er in Würzburg, Bonn und Innsbruck, 1973 schloss er seine Facharztweiterbildung in Gynäkologie und Geburtshilfe ab. Nach einem 5-jährigen Auslandsaufenthalt in Afrika, während dem er mit seinem Bruder, ebenfalls Gynäkologe, eine Klinik aufbaute und leitete, wurde er zunächst Oberarzt an der Universitätsfrauenklinik Düsseldorf und ab 1983 Chefarzt und später Ärztlicher Direktor des städt. Krankenhauses und Akademischen Lehrkrankenhauses Düsseldorf-Benrath.

Theorie und Praxis waren bei ihm verbunden: Er war ein hervorragender Operateur und Geburtshelfer, habilitierte sich zur Interaktion von Spermatozoen und Zervikalschleim und spezialisierte sich auf den Gebieten Kinderwunsch, gynäkologische Endokrinologie und Andrologie.

Seit den 80er Jahren leitete er das „Forschungsprojekt Natürliche Familienplanung“ an der Universität Düsseldorf, das 2004 in die überregionale „Sektion Natürliche Fertilität“ der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsmedizin (DGGEF) überführt wurde, deren Sprecher er bis zuletzt war.

Professor Freundl zählt heute zu den bekanntesten Wissenschaftlern im Bereich der Natürlichen Familienplanung (NFP). Mit dieser Arbeit hatte er sich auch international große Anerkennung erworben und wurde im vergangenen Jahr in Washington für sein Lebenswerk geehrt.

Er untersuchte mit einem Team von engagierten Kolleginnen und Kollegen unter anderem die Sicherheit von Methoden der Natürlichen Familienplanung und etablierte die größte NFP-Zyklusdatenbank der Welt mit über 40.000 Zyklen und etwa 2000 Frauen. Mit Hilfe dieser Datenbank wurden neben der Sicherheit von Sensiplan auch das Sexualverhalten in der fruchtbaren Zeit, die Bedeutung der Kenntnis des fertilen Fensters für den Kinderwunsch und die Veränderungen des Zyklusverhaltens von der Pubertät bis zu den Wechseljahren erforscht. Bis zuletzt hat er neue Projekte angeschoben, jüngst zu den auf dem Markt befindlichen Zyklus-Apps.

Kollegen, kooperierende Wissenschaftler und NFP-Beraterinnen und –Berater schätzen seine offene, ermunternde, vermittelnde, entscheidungsfreudige und humorvolle Art, immer mit einem offenen Ohr für jedermann.

Vielfältige Interessen und Begeisterung hatte er auch im Privaten: Mit Familie und Freunden zusammen liebte er Bergwandern, Skifahren, Tennis und abenteuerliche Reisen. Außerdem spielte aktiv Klavier und Orgel. Er hinterlässt seine Frau, drei Kinder und sechs Enkel.

Die wissenschaftliche Arbeitsgruppe würde nicht da stehen, wo sie ist, wenn er nicht gewesen wäre. Sein Tod bedeutet einen überaus großen Verlust für uns. Wir vermissen ihn.

Zyklus-Apps zur Verhütung – sicher oder Gesellschaftsspiel?

Sind Zyklus-Apps zur Verhütung sicher? Die nachfolgende Veröffentlichung aus dem Springer Verlag fasst die Erkenntnisse der Studien zusammen

Einleitung und Zielsetzung

Der riesige Markt für Gesundheits-Apps hat in den letzten Jahren den weiblichen Zyklus und die Prognose des fertilen Fensters entdeckt. Die Idee ist, dass die App mit den erhobenen Zyklusdaten ein fertiles Fenster bestimmt. Das Prinzip ist nicht neu. Unter dem Begriff Natürliche Familienplanung (NFP) wurden seit den 1960er- Jahren verschiedene Methoden entwickelt. Neu ist lediglich, dass die modernen und nutzerfreundlichen Programme die Auswertung der Beobachtungen bzw.
Messungen für die Nutzerin übernehmen.

Oft gehen Anwenderinnen von einer tatsächlich nicht vorhandenen Sicherheit aus

Was den Wirksamkeitsnachweis angeht, ist der Markt derzeit keiner adäquaten Prüfung unterworfen. Die Anwenderinnen gehen oft von einer in Wirklichkeit nicht vorhandenen Sicherheit aus, v. a. wenn Apps allenthalben mit einem CE(Communauté Européenne)-Kennzeichen, TÜV(Technischer Überwachungsverein)-Siegeln oder neuerdings sogar mit einer FDA(Food and Drug Administration)-Zulassung werben, wie etwa die App Natural Cycles. Diese Kennzeichnungen sagen aber nichts über ihre Eignung zur korrekten Anzeige des fertilen Fensters oder gar über ihre Verhütungssicherheit aus. Die genannten Institutionen bewerten bisher nur die vom Hersteller zur Verfügung gestellten Dokumente und Materialien und führen keine eigenen Untersuchungen zur Verhütungssicherheit durch [3].

Ein Teil der Apps ist „nur“ für die Kinderwunschsituation bzw. zum kompetenten Zyklusmonitoring ausgewiesen. Eine eigene Arbeit bezüglich der Eignung der Apps zur Feststellung des fertilen Fensters für den Kinderwunsch hat neben wenigen akzeptablen Apps überwiegend nicht geeignete identifiziert [10]. Eine problematische Situation besteht, wenn diese Apps nicht eindringlich darauf hinweisen, dass sie nicht für eine sichere Empfängnisverhütung geeignet sind. Die Praxis zeigt nämlich, dass Paare diese Apps auch zur Verhütung benutzen, indem sie in der angezeigten fruchtbaren Phase keinen ungeschützten Sexualverkehr haben.

Bisherige Übersichtsarbeiten haben zu wenig auf die Verhütungssicherheit abgehoben [6]. Dies ist besonders bei den Apps ein Problem, die bisweilen eine kontrazeptive Sicherheit ähnlich der Pille für sich reklamieren. Der Berufsverband der Frauenärzte hat sich deshalb jüngst auch höchst besorgt über diese Entwicklung geäußert.

Die vorliegende Arbeit soll eine Übersicht über derzeit erhältliche Zyklus-Apps geben, insbesondere über im hiesigen Raum verwendete Programme.

Zyklus-Apps im Überblick

Die aktuell meist verwendeten Apps kann man folgendermaßen einteilen (Tab.1)

    1. Prognose-Apps

Hierbei wird die fruchtbare Phase anhand von Daten aus vergangenen
Zyklen prognostiziert: meist frühere Zykluslängen, manche auch aus
früheren Temperaturanstiegen

  1. Bestimmung der fruchtbaren Phase
    im aktuellen Zyklus
      • a) NFP Apps

    Hierbei beobachtet die Anwenderin Symptome (Temperatur und
    Zervixschleim), aus denen die App die fruchtbare Phase im jeweils
    aktuellen Zyklus bestimmt, nach Algorithmen, die auf bekannten
    NFP-Methoden basieren. Im angloamerikanischen werden sie als
    „fertility awareness based apps“ bezeichnet.

    • b) Zyklus-Apps mit assoziierten Mess-
      systemen

Zu diesen zählen Apps, die z. B. die Messung von Hormonen im Urin oder von neuen, noch experimentellen Parametern auswerten.

Tabelle Zyklus Apps

Gynäkologe https://doi.org/10.1007/s00129-018-4358-6
© Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von
Springer Nature 2019

Kriterien zur Beurteilung von Apps

Die Beurteilung der Apps beruht auf folgenden Kriterien:

  • Auf welche Methode/welchen Algorithmus stützt sich die Bestimmung  des fertilen Fensters? Werden die Basics der Zyklusphysiologie berück-
    sichtigt?
  • Studienlage zur zugrundeliegende
    Methode/Algorithmus/Parameter
  • Studienlage zur App selbst logisch gegebenen Grundlagen des weiblichen Zyklus berücksichtigten.

Zur Klärung der grundsätzlichen Funktionsweise wurden einige Apps zusätzlich anhand von konkreten Szenarien überprüft.

Grundvoraussetzung: Berücksichtigung der physiologischen Bedingungen des weiblichen
Zyklus

Alle Zyklus-Apps, die Angaben zum fertilen Fenster machen, müssen die physiologisch gegebenen Grundlagen des weiblichen Zyklus berücksichtigten

Die individuelle Variabilität des Zyklus ist erheblich: Die „normale“ Zyklus-
länge schwankt bei zwei Dritteln aller Frauen um mehr als 7 Tage [15, 20], d. h. die Ovulation und damit das fertile Fenster verschieben sich ebenfalls von Zyklus zu Zyklus und können nicht vorhergesagt werden.

Die intraindividuelle Variabilität des Zyklus ist erheblich

Hinzu kommt: Die Ovulation ist der direkten Beobachtung weitgehend entzogen und deshalb nur mit indirekten Parametern nachweisbar, die ihrerseits eine gewisse Schwankungsbreite aufweisen (z. B. Zervixsekret, Temperaturanstieg, LH-Anstieg, andere „home use“ Parameter).

Beurteilung

Prognose-Apps

Die in all diesen Apps angezeigte fruchtbare Zeit fußt lediglich auf (mehr oder weniger) gemittelten Daten vorangegangener Zyklen, meist der Zykluslänge (Tab. 1). Informationen aus dem aktuellen Zyklus spielen keine Rolle: Obwohl teilweise auch andereParameter eingetragen werden können, werden diese in der Auswertung nicht berücksichtigt. Anfangs wird ein 28-Tage-Zyklus zugrundegelegt oder die „gefühlte“ Zykluslänge abgefragt. Die Problematik anhand eines Fallbeispiels zeigt. Tab. 2: Im ersten Nutzerzyklus wird zunächst offensichtlich von einem 28-Tage-Zyklus ausgegangen und dann wird entsprechend „korrigiert“. Dabei wird für Zyklus 2 (32 Tage) die mutmaßliche Ovulation zu früh angesetzt, für den Zyklus 4 (27 Tage) zu spät, was natürlich eine Fehlanzeige des fertilen Fensters nach sich zieht. Nicht täuschen lassen sollte man sich von jenen kalkulothermalen Apps, die den aussagekräftigen Temperaturanstieg
zwar bestimmen, ihn jedoch nicht für den aktuellen Zyklus verwenden, sondern lediglich für die Prognose der Ovulation im Folgezyklus (u. a. Natural Cycles, Ovolane, OvulaRing). Mit dieser Vorgehensweise sind sie den reinen Kalender-Apps ähnlich. Der Aufwand der Temperaturmessung ist quasi umsonst, da es für die Ovulation im aktuellen Zyklus unerheblich ist, mit welchen Methoden sie in vergangenen Zyklen bestimmt wurde. Außerdem prognostizieren kalkulothermale Apps wie Natural Cycles das fruchtbare Fenster zunächst ebenfalls aus der Zykluslänge. Jene Apps, die von einem „lernenden Algorithmus“ sprechen, greifen lediglich auf eine zunehmend größere Datenbasis für ihre Durchschnittsberechnungen zurück, was am prinzipiellen Problem nichts ändert. In einer aktuellen Studie von Johnson et al. (949 Zyklen) lag die Genauigkeit der Apps bei der Ovulationsvorhersage (LH-Anstieg) bei lediglich 21 % ([15]; vgl. [10,
12]). In einer Pilotstudie zu OvulaRing (470 Zyklen) wurde in 17 % die Ovulation nicht entdeckt und in weiteren 11 % war die Prognose komplett falsch [21]. Diese Ergebnisse spiegeln das fehlende Berücksichtigen der Zyklusphysiologie wieder. Vom Gebrauch von Prognose-Apps ist deshalb prinzipiell abzuraten.

Prinzipiell ist von Prognose-Apps abzuraten

Zur amerikanischen App DOT, welche die gesamte Schwankung vergangener Zykluslängen berücksichtigt (keine Durchschnitte), sind die endgültigen Ergebnisse abzuwarten [14].

Prognostizierte Ovulation Zyklusapps

Tab1: Gynäkologe https://doi.org/10.1007/s00129-018-4358-6
© Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von
Springer Nature 2019

Höchst problematisch: die jüngste FDA-Zulassung einer Prognose-App

Die Ergebnisse der vom Unternehmen durchgeführten Studien zu Natural
Cycles weisen allesamt große Mängel auf. Hauptkritikpunkte sind: lückenhafte Daten, unsichere Identifizierung der ungeplanten Schwangerschaften, falsche Berechnung der Methodensicherheit/„perfect use“; hoher Drop-out, Datensammlung und -auswertung vom Unternehmen selbst.

Die jüngste, prospektive Studie [24] weist zwar sehr große Fallzahlen auf
(22.785 Frauen; 18.548 Frauenjahre), jedoch waren nach einem Jahr 54 % der Anwenderinnen bereits wieder ausgeschieden, bei vielen blieb unklar, ob dies wegen einer ungeplanten Schwangerschaft geschah. Deshalb hat man diesen „lost to follow up“ in 3 Kategorien eingeteilt: „wahrscheinlich schwanger“, „unwahrscheinlich schwanger“ und „möglicherweise schwanger“. Nur die erste Kategorie floss in die Berechnungen zur Verhütungssicherheit ein. Damit wurde von vornherein ein unbekannter Anteil an möglichen ungeplanten Schwangerschaften ausgeschlossen, allein in der Kategorie „möglicherweise schwanger“ 402 Frauen. Die Autoren konzedieren selbst, dass der Schwangerschaftsstatus in gewissem Ausmaß nur auf plausiblen Annahmen beruht und dass es in ihrer Art von Studie „weniger klar ist, wer als schwanger zu betrachten ist“ – ein eklatantes Problem, das keine Berechnung zur Effektivität erlaubt.

Da das Sexualverhalten in fast 70 % der Zyklen unbekannt blieb, kann auch nicht zwischen Methodensicherheit und Gebrauchssicherheit unterschieden werden. Außerdem sind die dazu angestellten Berechnungen zum Methodenversagen nicht aussagekräftig, nachdem zuvor Schwangerschaften, in denen die App die fruchtbaren Tage nachweislich falsch prognostiziert hatte, herausgenommen bzw. auf eine zu hohe Zyklusbasis bezogen wurden. Was die Gebrauchssicherheit angeht, muss man – korrekt nach dem „life table“ berechnet – von mindestens 8,3 Schwangerschaften pro 100 Frauenjahre ausgehen (heute dem Pearl-
Index gleichzusetzen). Aber selbst diese Rate dürfte noch deutlich unterschätzt sein, nachdem auch hier die „möglicherweise Schwangeren“ und die als „unwahrscheinlich schwanger“ Klassifizierten zuvor komplett ausgeschlossen wurden.

Es handelt sich um eine sog. Big-Data-Studie, nicht um eine kontrollierte Studie: Es besteht kein geschlossenes Kollektiv mit Rechenschaft über alle Ausscheider und es bleibt dem Zufall überlassen, welche Angaben die Teilnehmer machen mit der Folge lückenhafter Daten in wesentlichen Bereichen.

Die früheren beiden retrospektiven Studien des Anbieters haben ebenfalls
gravierende Schwächen und können weder dazu dienen, die vom Hersteller angegebene Präzision des Algorithmus von 0,6 % zu belegen, noch die angegebene Verhütungseffektivität [23]. Die Zweifel an der Studienqualität führten in der Fachwelt zu erheblicher Kritik in Form von mehreren „letters to the editor“ [8, 13, 25]. Es sind diese Studien, die der FDA
vorlagen und dort akzeptiert wurden.

Apps, die das fertile Fenster im aktuellen Zyklus beobachten

NFP-Apps

Symptothermale Methode
Wenn Frauen sicher verhüten wollen, kann man heute noch nicht auf evidenzbasierte Varianten der symptothermalen Methode (Double-check-Methode) verzichten, wie sie die Sektion Natürliche Fertilität der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsmedizin (DGGEF) empfiehlt [26]. Die hohe Sicherheit ist dabei nur in Kombination mit einem qualifizierten NFP-Beratungsservice nachgewiesen'[9]. Deshalb ist es erforderlich, dass Apps, denen symptothermale Methoden zugrundeliegen, die Nutzerinnen anleiten können, ihren Körper entsprechend zu beobachten. Dieser Lernaufwand betrifft die differenzierte Zervixschleimbeobachtung und die korrekte Durchführung
der Basaltemperaturmessung mit Erkennung von individuellen Störfaktoren [1]. Außerdem müssen sie bei Bedarf den Zugang zu einem qualifizierten NFP-Beratungsservice ermöglichen.

Einige Apps, z. B. Lady Cycle, myNFP sowie (mit Einschränkungen) Lily (nur
eine der 3 angebotenen Varianten) und Neome (letztere als jüngere Entwicklung allerdings mit noch prinzipiellen Fehlern), bieten in unterschiedlichem Maß solche Möglichkeiten. Dennoch kann die nachgewiesene Sicherheit der zugrundeliegenden symptothermalen
Methode nicht automatisch auf die App übertragen werden. Auch hier fehlen bisher unabhängige Studien, die den praktischen Nachweis liefern, dass die Nutzerin eine gleiche oder annähernde Sicherheit erreichen kann, wie mit der zugrundeliegenden NFP-Methode.

Symptothermal heißt nicht automatisch sicher, wenn sich die App beispiels-
weise am Zyklusanfang nur auf den Zervixschleim verlässt (z. B. Ovagraph) oder nicht auf evidenzbasierten Methodenregeln beruht. Die App OvuView ist problematisch, da ihr 17 verschiedene NFP-Methoden mit völlig unterschiedlicher bzw. unbekannter Effektivität zugrundeliegen.

Die erwiesene Sicherheit von NFP lässt sich nicht automatisch auf die symptothermale Methode übertragen!

Durch die kontinuierliche Nachtmessung mittels eines Temperatursensors in der Scheide (in Form eines Tampons oder Rings) soll die Störanfälligkeit der Temperaturmessung verringert werden [17]. Es handelt sich hierbei nach wie vor um die Messung der evidenzbasierten Körperkerntemperatur, nicht zu verwechseln mit der nächtlichen Messung der peripheren Körpertemperatur (über Armbänder o. ä.). Die kontinuierliche vaginale Nachtmessung stellt prinzipiell eine interessante technische Neuerung dar
und wird bereits von Anwenderinnen der symptothermalen Methode verwendet. Dies ist natürlich nur sinnvoll in Verbindung mit einem guten Auswertalgorithmus. Sofern daraus jedoch Prognose-Apps konstruiert werden (wie z. B. bei OvulaRing, OvuSense, Ovolane), ist dies als unseriös zu betrachten.

Temperaturmethode

Die Apps DaysyView und Ovy fußen in erster Linie auf der Temperatur als
alleinigem Parameter, jedenfalls nicht auf z.B. der Sensiplan-Methodik. Das
Problem bei Ovy ist außerdem, dass die Angabe von Tagen mit mittlerer und hoher Schwangerschaftschance für eine Kontrazeptionsmethode unbrauchbar ist und überdies teilweise aus früheren Zyklen prognostiziert wird. Der Algorithmus von DaysyView prognostiziert bereits nach 3 Zyklen den Beginn der fruchtbaren Zeit.

Eine aktuelle retrospektive Studie zu DaysyView von Koch et al. [16] ist methodisch nicht verwertbar und sollte – wie international kritisiert – zurückgezogen werden [19]. Von den 6278 kontaktierten Anwenderinnen gab es einen Rücklauf von nur 13 % (798 Frauen), die Aussagen zur Effektivität haben schon allein deshalb keine Aussagekraft. Zudem wurden
alle Frauen, die weniger als 13 Zyklen teilgenommen hatten, samt ungeplanten Schwangerschaften eliminiert.

Zyklus-Apps mit assoziierten Messsystemen

Hierher gehören Apps, die mit Messsystemen verbunden sind, welche bekannte oder neue Parameter messen (Tab. 1).

Für eine sichere Verhütung müssen auch Randbereiche der fertilen Phase erfasst werden

Schon seit Jahrzehnten testet man verschiedenste biochemische oder physikalische Parameter auf ihre Eignung zur Bestimmung des fertilen Fensters, muss jedoch ernüchtert feststellen, dass sich bisher kein ausreichend genauer Parameter finden lässt [20]. Der Versuch, die
Vorhersage mathematisch in Griff zu bekommen, geht davon aus, dass eine Trefferrate von z. B. 85 % bereits ein Erfolg ist. Dies ist jedoch für eine sichere Verhütung nicht ausreichend: Hier müssen auch die Randbereiche der fertilen Phase erfasst werden.

Hormonkonzentrationen in Urin oder Speichel

Schon seit einigen Dekaden werden Hormone in Urin oder Speichel gemessen, Abbauprodukte des Östradiols für den Beginn und LH oder Pregnandiol für das Ende des fertilen Fensters [2, 4, 20]. Derzeit wird der FSH-Spiegel im Urin als Surrogat für den Zeitpunkt der Selektion des dominanten Follikels getestet (Tab. 1). Das Hormon wird mittels Test-
streifen semiquantitativ gemessen, dessen Sichtfenster anschließend per Clip am Mobiltelefon befestigt, von der Kamera fotografiert und von der App ausgelesen.

Diverse Studien haben eine nicht unerhebliche Schwankungsbreite und damit eine unbefriedigende Sicherheit dieser Parameter gezeigt [2, 4, 11]. Unterschiedliche Konzentrationen des Morgenurins beeinflussen die Messergebnisse zusätzlich [4]. Selbst die semiquantitative LH-Messung im Urin, umgangssprachlich häufig als „Eisprungtest“ bezeichnet, weist nach neuesten Studien eine weitaus größere zeitliche Schwankungsbreite auf als bisher vermutet [2, 5,7, 18, 22].

Neue Parameter: periphere Körpertemperatur, Ruhepuls u. a.

Auf der Suche nach einer bequemeren Art und Weise der Temperaturmessung wurde die Messung der peripheren Körpertemperatur (Haut, Ohr) wieder entdeckt, die bisher von Experten stets wegen ihrer Ungenauigkeit abgelehnt wurde. Die kontinuierliche Nachtmessung z. B. via Fingerring oder Armband, übermittelt an die App, soll die erforderliche
Genauigkeit bringen (z. B. Ava, DuoFertility Monitor, Tempdrop). Im Gegen-
satz zur bewährten Körperkerntemperatur ist dieser Parameter noch hoch-
experimentell. Die ersten Ergebnisse zu den auf dem Markt befindlichen neuen Entwicklungen sind nicht sehr ermutigend. Eine erste Pilotstudie zu Ava zeigt das grundsätzliche Problem: Zwar fand sich eine gewisse Korrelation zu den Zyklusphasen, doch der Temperaturanstieg zur Ovulation wies eine erhebliche Schwankungsbreite auf und in 18 % (!) der 437 nachgewiesenermaßen ovulatorischen Zyklen konnte überhaupt
kein Temperaturanstieg festgestellt werden [28]. In weiteren 5 % kam es zu
einer sicherheitsrelevanten Fehlbestimmung: Die Ovulation trat erst nach dem von Ava festgelegten fertilen Fenster auf. Deshalb sind die optimistischen Schlussfolgerungen der Hersteller auf Basis dieser Studie nicht nachvollziehbar. An der Brauchbarkeit der peripheren Hauttemperatur als sicherem Messort und Ersatz für die herkömmliche Basaltemperaturmessung müssen deutliche Zweifel angemeldet werden. Zusätzlich zur Temperatur werden von Ava weitere Parameter, beispielsweise die Herz- oder die Atemfrequenz, gemessen: Eine Pilotstudie (n = 247 ovulatorische Zyklen) konnte zwar eine gewisse Zyklusabhängigkeit zeigen, jedoch ebenfalls mit erheblichen Schwankungen und noch keinen Hinweisen zur Auswertung hinsichtlich des individuellen fertilen Fensters [27].

Die Messung der elektrischen Leitfähigkeit in Speichel und Scheide (OvaCue) könnte demnächst auch hierzulande Eingang finden, ein Parameter, der bereits in den 1990ern als zu ungenau ausgeschieden ist [20].

Präovulatorische „Mulde“ bzw. Nadir der Körperkerntemperatur

Die Hoffnungen einiger Forschungsgruppen ruhen weiterhin auf dem altbe-
kannten östradiolbedingten temperaturdepressiven Effekt, der mit kontinuierlicher nächtlicher Messung systematisch nachgewiesen werden und dann auch für den Anfang der fruchtbaren Phase genutzt werden soll. In der Studie von Papaioannou et al. ([17]; 81 Zyklen, Korrelation zur Follikulometrie) gelang der Nachweis eines Nadirs (Dips) lediglich in 89 % der Fälle und überdies mit einer hohen Schwankungsbreite von 1–8 Tagen vor der Ovulation. Eine derartige Schwankungsbreite in einem so kleinen
Studienkollektiv deutet auf eine geringe Präzision hin.

Fazit für die Praxis

  • Prognose-Apps, die das fertile Fenster vorhersagen, sind für eine sichere Empfängnisverhütung unbrauchbar.
  • Eine weitgehend sichere Empfängnisverhütung ist aktuell nur mit
    evidenzbasierten Varianten der symptothermalen Methode möglich (s. Empfehlungen der Sektion Natürliche Fertilität der DGGEF).
    Entsprechend programmierte Apps benötigen noch unabhängige Studien nach wissenschaftlichen Kriterien.
  • Apps, die mit Messsystemen verbunden sind, die Hormone oder neue
    Parameter messen, haben die an sie gestellten Erwartungen bisher
    nicht erfüllt, denn bis heute wurde kein Parameter gefunden, der die
    notwendige Genauigkeit aufweist.
  • TÜV-Siegel, CE-Klassifizierung oder die FDA-Zulassung einer Verhütungs-App sagen nichts über die Verhütungssicherheit aus, da diese Institutionen keine eigenen Studien durchführen, sondern sich auf Herstellerangaben verlassen.
  • Bisherige Big-Data-Studien sind aufgrund der nicht kontrollierten
    Studienbedingungen wenig aussagekräftig.

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit gibt eine Übersicht über derzeit erhältliche Zyklus-Apps, die das fertile Fenster im weiblichen Zyklus anzeigen. Prognose-Apps, die aus Daten früherer Zyklen (Zykluslängen oder frühere Temperaturanstiege) das fertile Fenster vorhersagen, sind als unbrauchbar zu verwerfen. Eine weitgehend sichere Empfängnisverhütung ist aktuell nur mit evidenzbasierten Varianten der symptothermalen Methode möglich (s. Empfehlungen der Sektion Natürliche Fertilität der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsmedizin [DGGEF]). Entsprechend programmierte Apps benötigen aber auch hier unabhängige Studien nach wissenschaftlichen Kriterien. Apps, die mit Messsystemen verbunden sind, die Hormone oder neue Parametermessen, haben die Erwartungen bisher nicht erfüllt: Bisher wurde kein Parameter gefunden, der die notwendige Genauigkeit aufweist. Die FDA(Food and Drug Administration)- Zulassung der Prognose-App Natural Cycles ist wissenschaftlich nicht nachvollziehbar.

Schlüsselwörter

Natürliche Familienplanung · Fertilität · Kontrazeption · Menstruationszyklus · Kontrazeptive Effektivität

Literatur
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23. Scherwitzl EB, Gemzell Danielsson K, Sellberg JA, Scherwitzl R (2016) Fertility awareness-based mobile application for contraception. Eur
J Contracept Reprod Health Care 21:234–241. https://doi.org/10.3109/13625187.2016.1154143
24. Scherwitzl EB, Lundberg O, Kopp Kallner H, Gemzell Danielssonc K, Trussell J, Scherwitzl R (2017), Perfect-use and typical-use Pearl Index of a contraceptive mobile app. Contraception 96:420–425. https://doi.org/10.1016/j.contraception.2017.08.014
25. Schimmoeller N, Creinin MD (2018) More clarity needed for contraceptive mobile app Pearl Index calculations. J Contracept 97:456. https://doi.org/10.1016/j.contraception.2018.01.005
26. Sektion Natürliche Fertilität (2012) Empfängnisverhütung bei der Frau: Natürliche Methoden. In: Rabe T (Hrsg) Seminar in Gynäkologischer
Endokrinologie. Thomas Rabe, Heidelberg. ISBN 978-3000390777
27. Shilaih M, Clerck V, Falco L, Kübler F, Leeners B (2017) Pulse rate measurement during sleep using wearable sensors, and its correlation
with the menstrual cycle phases, a prospective observational study. Sci Rep 7:1294. https://doi.org/10.1038/s41598-017-01433-9
28. Shilaih M, Goodale BM, Falco L, Kübler F, De Clerck V, Leeners B (2017) Modern fertility awareness methods: wrist wearables capture the changes of temperature associated with the menstrual cycle. Biosci Rep. https://doi.org/10.1042/BSR20171279

Quelle des Artikels:

Frank-Herrmann P, Freis A, Freundl-Schütt T, Wallwiener L-M, Baur S, Freundl G, Raith-Paula E, Strowitzki T (2019) Zyklus-Apps zur Verhütung – sicher oder Gesellschaftsspiel? Gynäkologe 52: 90. https://doi.org/10.1007/s00129-018-4358-6

 

Zyklus-Apps: Die Verhütungsmethode der Zukunft?

Sind Zyklus-Apps: Die Verhütungsmethode der Zukunft? Mehr in diesem Beitrag von Dr. med. Petra Frank-Herrmann, Funktionsoberärztin Abteilung Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen der Universitätsfrauenklinik Heidelberg

Der riesige Markt für Gesundheits-Apps hat in den letzten Jahren den weiblichen Zyklus und die Prognose des fertilen Fensters entdeckt. Laufend erscheinen neue Zyklus-Apps und reklamieren bisweilen eine kontrazeptive Sicherheit wie die Pille. Die Idee dahinter ist, die App mit Zyklusdaten zu füttern, woraus diese dann das fertile Fenster bestimmt und folglich Paare verhüten können, indem sie in dieser Zeit keinen ungeschützten Sexualverkehr haben. Das Prinzip ist nicht neu. Unter dem Begriff „Natürliche Familienplanung“ (NFP) wurden seit den 60er Jahren verschiedene Methoden entwickelt. Neu ist lediglich, dass moderne und scheinbar nutzerfreundliche Programme entwickelt werden, die die Auswertung der Beobachtungen bzw. Messungen für die Nutzerin übernehmen. Die aktuell erhältlichen Apps kann man in drei Kategorien einteilen: Prognose-Apps, NFP-Apps und Apps mit anderen, oft neuen Parametern.

Prognose-Apps:

Das fertile Fenster wird vorhergesagt. Diese Apps treffen Vorhersagen zum fertilen Fenster aus Daten und Durchschnittsberechnungen weniger, vorangegangener Zyklen (meist aus Zykluslängen): z. B. Clue, Flo, Maya, Period Tracker und Mein Eisprungsrechner. Informationen aus dem aktuellen Zyklus spielen keine Rolle, denn obwohl teilweise verschiedene Parameter eingetragen werden können, werden diese in der Auswertung nicht berücksichtigt. Alle Apps, die ein fertiles Fenster anzeigen, müssen jedoch die physiologischen Grundlagen berücksichtigen, nämlich die Variabilität des normalen Zyklus: Dessen Länge und die fertile Phase schwanken bei zweidrittel aller Frauen um mehr als sieben Tage. Alle Apps, die lediglich Prognosen abgeben, sind aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht nicht ernst zu nehmen. Nicht täuschen lassen sollte man sich von kalkulo-thermalen Apps. Diese bestimmen zwar den prinzipiell aussagekräftigen Temperaturanstieg, verwenden ihn jedoch nicht für die Bestimmung des fruchtbaren Fensters im aktuellen Zyklus, sondern lediglich für die Vorhersage im Folgezyklus (z.B. Natural Cycles, Ovolane). Mit dieser Vorgehensweise sind sie den reinen Kalender-Apps ähnlich und scheiden von vornherein als unwissenschaftlich
aus.

NFP-Apps: Das fertile Fenster wird im aktuellen Zyklus beobachtet

NFP-Apps fußen auf bekannten NFP-Methoden und bestimmen das fertile Fenster im jeweils aktuellen Zyklus. Sie sind jedoch unterschiedlich sicher. Wenn Frauen sehr sicher verhüten wollen, kann man heute noch nicht auf evidenzbasierte Varianten der symptothermalen Methode verzichten, wie die Sektion Natürliche Fertilität der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin e. V. (DGGEF) empfiehlt. Es gibt entsprechende Apps, z.B. Lady Cycle, myNFP, Neome, lily. Voraussetzungen bei den NFP-Apps sind, dass die Nutzerinnen lernen, ihren Körper entsprechend zu beobachten und dass sie Zugang zu einem qualifizierten Beratungsservice haben. Auch diese Apps benötigen Studien für den praktischen Nachweis ihrer Sicherheit, die bisher fehlen. Apps mit neuen Parametern Es gibt einige App-Entwicklungen, die versuchen, mit neuen Parametern das fertile Fenster zu bestimmen, z. B. Hormonkonzentrationen in Urin oder Speichel, periphere nächtliche Körpertemperatur oder nächtlicher Ruhepuls. Dabei werden die Messungen z. B. von Armbändern (u. a. Ava) vorgenommen und an die App übertragen. Schon seit Jahrzehnten testet man diverse biochemische oder physikalische Parameter auf ihre Eignung zur Bestimmung des fertilen Fensters. Jedoch wurde bis heute kein Parameter gefunden, der auch nur annähernd die notwendige Genauigkeit aufwies. Es finden sich zwar häufig gewisse Korrelationen zu den Zyklusphasen, jedoch sind diese i. d. R. nicht eng genug, sodass keine sichere Verhütung abgeleitet werden kann. Die ersten Ergebnisse zu den auf dem Markt befindlichen neuen Entwicklungen sind nicht sehr ermutigend.

Fazit

Prognose-Apps, die das fertile Fenster vorhersagen, sind als unseriös zu betrachten. Derzeitige Entwicklungen, die auf neuen Parametern basieren, haben nach ersten Ergebnissen keine hinreichend enge Korrelation zum Zyklus. Eine sichere Verhütung ist mit evidenzbasierten Varianten der symptothermalen Methode möglich, entsprechend programmierte Apps benötigen aber ebenfalls Studien. TÜV-Siegel, CE-Klassifizierung oder die jüngste FDA-Zulassung einer Verhütungs-App sagen nichts über die Verhütungssicherheit aus, da diese Institutionen keine eigenen Studien durchführen, sondern sich auf Herstellerangaben verlassen. Bisherige „Big Data“-Studien sind aufgrund der nicht kontrollierten Studienbedingungen wenig aussagekräftig.

Dies ist ein Pressetext des 62. Kongress der DGGG, 31. Oktober – 3. November 2018, CityCube Berlin

Warnung vor FDA-zugelassener Verhütungs-App

Der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) hat eine Pressemitteilung zur FDA-zugelassenen App NaturalCycles herausgegeben:

„16.08.2018 – Warnung vor FDA-zugelassener Verhütungs-App

Vor wenigen Tagen hat die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drugs Administration) die App „Natural Cycles“ als Verhütungsmittel zugelassen.
Die Frauenärztinnen und -ärzte in Deutschland raten weiterhin davon ab, diese App als sichere Verhütung von Schwangerschaften zu verwenden. Die Berechnungen der App, fruchtbare und unfruchtbare Tage zu unterscheiden, sind unzuverlässig.
Die wissenschaftlichen Studien, die die Anbieter bisher veröffentlicht haben, haben schwerwiegende Mängel. So wurden nach unserer Kenntnis immer wieder Frauen, die während der Verwendung der App schwanger geworden sind, von der Auswertung ausgeschlossen. Auf diese Weise wurde eine sehr niedrige Schwangerschaftsrate herbeigerechnet. Die FDA hat diese Studien keiner Prüfung unterzogen, sondern sie als gegeben akzeptiert; sie hat nicht überprüft, auf welche Weise die App fruchtbare und unfruchtbare Tage unterscheidet.“
© BVF 2018

Ergänzung und Konkretisierungen zur Mitteilung des BVF:

1. Kritik an der grundsätzlichen Basis von Natural Cycles

Mit der zur Verhütung ausgewiesenen Zyklus-App Natural Cycles wird die morgendliche Basaltemperatur gemessen und in einem firmeninternen Algorithmus ausgewertet. Das fruchtbare Fenster wird dabei jedoch nicht im laufenden Zyklus bestimmt, sondern auf der Basis von vergangenen Temperaturanstiegen und anderen früheren Zyklusdaten vorhergesagt. Das Entscheidende ist, dass keine Daten aus dem aktuellen Zyklus berücksichtigt werden, sondern Prognosen aufgrund von Daten aus Vorgängerzyklen vorgenommen werden. Bei einer Anfängerin werden sogar Prognosen vorgenommen, noch bevor die App Daten der Anwenderin registriert hat. Die Anwenderin wird nach der durchschnittlichen Zykluslänge gefragt und daraus werden die fruchtbaren Tage für den Folgezyklus prognostiziert. Dies hat mit dem aktuellen Zyklus nichts zu tun. Außerdem wird nicht einmal die volle Schwankungsbreite der Vorzyklen berücksichtigt, sondern teilweise gemittelte Werte aus nur wenigen Zyklen. Die Zykluslänge und damit das fruchtbare Fenster und der Ovulationszeitpunkt schwanken jedoch bei mehr als der Hälfte aller Frauen natürlicherweise um mehr als 7 Tage. Deshalb ist aus physiologischen Gründen eine Vorhersage des fruchtbaren Fensters und des Ovulationstags nicht möglich.

Die fruchtbare Zeit wird also bei Natural Cycles lediglich vorhergesagt und nicht im aktuellen Zyklus aus Zyklussymptomen ermittelt. Anhand der gemessenen Temperaturkurve korrigiert die App zwar im Nahhinein die fruchtbare Zeit, allerdings erst nach deren Ende, also zu spät für die Anwenderin. Wie bei allen Prognose-Apps kann damit grundsätzlich keine Sicherheit zur Empfängnisverhütung im aktuellen Zyklus erreicht werden.

2. Vorliegende Studien:

Hauptkritikpunkte sind: unsichere Identifizierung der ungeplanten Schwangerschaften, statistisch falsche Berechnung der Methodensicherheit /des Methodeneigenversagens, hoher drop-out, Datensammlung und -auswertung vom Unternehmen selbst, in wesentlichen Punkten sehr lückenhafte Daten.

Die jüngste Studie weist sehr große Fallzahlen auf (22785 Frauen; 18548 Frauenjahre). Nach einem Jahr waren bereits 54% der Anwenderinnen wieder ausgeschieden, bei vielen war nicht bekannt, ob sie wegen einer ungeplanten Schwangerschaft ausgeschieden sind. Deshalb hat man diese einfach eingeteilt in wahrscheinlich schwanger/unwahrscheinlich schwanger /möglicherweise schwanger. Nur die erste Gruppe floss in die Rate zur Berechnung der Verhütungssicherheit. Verwirrend ist die Angabe von zwei verschiedenen Berechnungen zur Methodensicherheit („perfect use pregnancy rate“ und „method efficacy“). Beide Schwangerschaftsraten bezeichnen das Methodeneigenversagen, also die Rate der ungeplanten Schwangerschaften, die trotz korrekter Anwendung auftritt. Diese wichtige Rate zur Verhütungssicherheit wird heute in einer einzigen Zahl ausgedrückt. Dies ist in dieser Studie nicht möglich, da häufig die Information zum Sexualverhalten fehlt: in 47% der ungeplanten Schwangerschaften ist das Sexualverhalten nicht bekannt. Deshalb wurden zwei Raten zur Methodensicherheit berechnet. In die perfect use Rate sind nur 17 der ungeplanten Schwangerschaften eingeflossen. Weitere 102 Schwangerschaften, in denen die App die fruchtbaren Tage nachweislich falsch prognostiziert hatte, sind separat in die sogenannte Methodensicherheit eingeflossen, die wiederum -wie bereits in der Vorgängerstudie- statistisch nicht korrekt nach der von Trussell angegebenen Vorgehensweise berechnet wurde (die Schwangerschaften wurden auf eine zu hohe Zyklusbasis bezogen). Zusätzlich besteht das Problem, dass in dieser Rate die Frauen, die als „möglicherweise schwanger“ (402 Frauen) und als „unwahrscheinlich schwanger“ klassifiziert wurden, komplett ausgeschlossen wurden.
Es gibt also zwei Probleme: erstens weiß man grundsätzlich nicht, wie viele der Ausgeschiedenen ungeplant schwanger waren und zweitens weiß man bei den nachgewiesenen ungeplanten Schwangerschaften in 47% (603 Schwangerschaften) nicht, ob die betreffende ungeplante Schwangerschaft aufgrund eines Methodenversagens oder aufgrund von inkorrektem Nutzerverhalten zustande kam, da kein Sexualverhalten beschrieben war.

Die Autoren geben selbst zu, dass der Schwangerschaftsstatus in gewissem Ausmaß nur auf plausiblen Annahmen beruht und dass es in ihrer Art von Studie „weniger klar ist, wer als schwanger zu betrachten ist“ – was jedoch der entscheidende Punkt bei der Berechnung der Effektivität einer Verhütungsmethode ist.

Die Gebrauchssicherheit oder typical use Rate wird nach Trussell und anderen namhaften Statistikern schon seit mehreren Dekaden zyklusbezogen und im Life table (nicht nach der Pearl-Formel) berechnet. Deshalb beträgt die Gebrauchssicherheit bzw. typical use-Schwangerschaftsrate in dieser Studie 8,3% (Schwangerschaftsrate pro 100 Frauenjahre). Das Problem ist auch hier, dass in dieser Rate die Frauen, die als „möglicherweise schwanger“ und als „unwahrscheinlich schwanger“ klassifiziert wurden, komplett ausgeschlossen wurden.
Zu früheren Studien des Anbieters: In der ersten Studie mit 1501 Zyklen, die lt. Hersteller zeigt, dass der Algorithmus „mit hoher Präzision“ den Ovulationstag identifiziert, wurde tatsächlich nur ein kleines Subkollektiv von 161 Zyklen verwendet, nämlich die, in denen ein von den Frauen durchgeführter home-use LH-Test vor dem Temperaturanstieg positiv wurde. Aus dieser Selektion wird die Problematik der vom Hersteller angegebenen Präzision von 0,6% ersichtlich.
In der zweiten, retrospektiven Studie mit 4054 Frauen blieben von 70% der Teilnehmerinnen essentielle Daten unbekannt, da sie auf den Studienfragebogen nicht antworteten und nur in 8% der Zyklen lagen die notwendigen Angaben zum Sexualverhalten vor. Außerdem wurden Kurzzeitanwenderinnen, die in den ersten drei Monaten ausgeschieden sind (möglicherweise wegen einer ungeplanten Schwangerschaft), nicht berücksichtigt. Spätestens seit Trussell ist klar, dass retrospektive Studien grundsätzlich zur Beurteilung der Methodeneffektivität ungeeignet sind.

Zur Bewertung durch den TÜV führt dieser selbst aus: „Der Hersteller muss eine technische Dokumentation erstellen, auf deren Basis die Benannte Stelle die Einhaltung der grundlegenden Anforderungen überprüft… Die TÜV SÜD Product Service GmbH hat in ihrer Funktion als Benannte Stelle für Medizinprodukte die App ‚Natural Cycles‘ nach den Vorgaben der europäischen Medizinprodukterichtlinie geprüft. Dazu gehörte die Überprüfung der technischen Dokumentation und der klinischen Bewertung des Herstellers sowie die Begutachtung und Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems gemäß EN ISO 13485 und 93/42/EWG (MDD).“ Der TÜV bewertete also aufgrund der Herstellerangaben und führte keine eigenen Untersuchungen zur Verhütungssicherheit von NaturalCycles durch.

Internationaler NFP Kongress im April 2018

“Family planning today and tomorrow – They say it`s love” ist das Motto vom internationalen Kongress rund um die Natürliche Familienplanung (NFP) der im April 2018 stattfindet.

Wann und wo findet der NFP Kongress statt?

Der internationale NFP Kongress findet vom 27. & 28. April 2018 im Maternushaus, Köln statt. Er wird von der Malteser Arbeitsgruppe NFP organisiert. Die Sektion Natürliche Fertilität ist Kooperationspartner.

Was erwartet mich beim NFP Kongress?

27. April 2018 (10:00 Uhr)

Familienplanung im internationalen Kontext
• Willkommen im Leben? – Weltbevölkerung und Familien­planung
• Familienplanung in den Kulturen der Welt
• Natürliche Familienplanung im Kontext von Migration und Religion

Neue Erkenntnisse zur Fertilität
• Zyklusregulationen: Hormone und Genetik
• Beeinflussung und Störmöglichkeiten der Fertilität (z.B. Stress, Diät, Ernährung, Psychopharmaka, Schilddrüse etc.)
• Eizellreserve im Lebenslauf
• Unfruchtbarkeit des Mannes – Erfahrungen aus der Praxis eines Andrologen

Natürliche Methoden im Diskurs
• Sicherheit von Familienplanungsmethoden verstehen
• Alte und neue Zyklusparameter: Was ist die Zukunft?
• Zyklus-Apps – interessant, aber …

Kurzbeiträge: Natürliche Familienplanung im Feld
• Erfahrungen aus der Praxis (u.a. Niederlande, China, Schweden, Ost-Timor, Russland, Slowenien, Belgien)

28. April 2018 (9:00 Uhr)

Willkommen in der digitalen Welt
• Big Data, Datensicherheit und Datenaustausch 2020

Partnerschaft/Beziehungskultur
• Anthropologie der Fruchtbarkeit und Partnerschaft
• Erwartungen der Anwenderinnen und Anwender
• Erfüllte Sexualität – Was Zwei einander ein Leben lang schenken können

Workshops
• Sensiplan – Einführung in die „Geheimnisse der Methode“ für ÄrztInnen
• Diskussion – Interessante & „schwierige“ Zyklen aus der Praxis
• Zyklusarbeit zu Kinderwunsch
• Zyklusarbeit zu Wechseljahren
• Natürliche Familienplanung und gelingende Partnerschaft

Zusammenfassung und Abschluss 15:00 Uhr

Alle Vorträge werden simultan (Englisch/Deutsch),
die Workshops konsekutiv (Englisch/Deutsch) übersetzt.

Redner, Vorsitzende & Workshopleiter

(vorläufige Liste)

Baur, Siegfried
Bobbert, Monika
Cagnazzo, Matteo
Danelzik, Kirsten
Frank-Herrmann, Petra
Freis, Alexander
Freundl, Günter
Freundl-Schütt, Tanja
Gnoth, Christian
Herrmann, Horst
Klann, Notker
Klann-Heinen, Petra
Petruhhina, Natalja
Schlüter, Dieter
Sidarava, Nastassia
Söderberg, Malin
Sottong, Ursula
Steffen, Matthias
von Ritter, Christoph
Wallwiener, Lisa
Wittershagen, Sevinj
Ziegler, Andreas

Wo kann man sich anmelden?

Ab sofort können sich interessierte TeilnehmerInnen zum
Internationalen NFP Kongress 2018 anmelden.
Das entsprechende Anmeldeformular finden Sie beiliegend
oder hier:

www.nfp-online.de
www.sensiplan.de

Wie viel kostet die Teilnahme?

Teilnehmerbeitrag bis 31.12.2017: 95 € (ohne Übernachtung)
ab 1.01.2018: 130 Euro (ohne Übernachtung)
zzgl. 35 € bei Teilnahme am Abendprogramm

Malteser Arbeitsgruppe NFP
Erna-Scheffler-Str. 2
51103 Köln
E-Mail: nfp@malteser.de

Workshop auf DRV Kongress: Fertility Awareness bei Kinderwunschpaaren

Neuer Workshow im Rahmen des 7. DRV Kongresses in München am 08.12.2017 von 11:30-13:00h über Fertility Awareness bei Kinderwunschpaaren – Wie beraten um die natürliche Fruchtbarkeit voll auszuschöpfen?

Wo?

Der Workshop findet in München im Rahmen des 7. DRV Kongresses statt.
Ort: Holiday Inn Munich City Centre, Hochstraße 3, 81669 München
Raum: Forum 13 + 14

Wann?

Der DRV Kongress läuft vom 7.12. bis 9.12.2017. Der Workshop ist am 8.12.2017 um 11 bis 13 Uhr!

Titel: Fertility Awareness bei Kinderwunschpaaren: Wie beraten um die natürliche Fruchtbarkeit voll auszuschöpfen?

Frau Dr. Petra Frank-Herrmann, Frau Dr. Tanja Freundl-Schütt sowie Frau Dr. Lisa-Maria Wallwiener der Sektion natürliche Fertilität bieten im Rahmen des 7. DVR- Kongresses in München einen Workshop zu diesem interessanten Thema an. Wie immer setzen sich die Referentinnen auf wissenschaftlichem Niveau und in kritischer Diskussion mit den Teilnehmerinnen und den Teilnehmern mit den Methoden der natürlichen Familienplanung auseinander. Gemeinsam mit den TeilnehmerInnen werden die Grundsätze der Optimierung der natürlichen Fruchtbarkeit nach evidenzbasierten Grundsätzen erarbeitet. Es werden Zyklusdiagnostik, Geschlechtsverkehr zum optimalen Zeitpunkt und die Rolle von Apps bei der Unterstützung des Kinderwunsches besprochen. Weitere Themen sind: Fertility awareness bei Kinderwunschpaaren, Fertility Awareness bei der älteren Patientin sowie spontane Schwangerschaftsraten nach NFP- Beratung. Der Workshop richtet sich an alle NFP- Begeisterte und – Interessierte: Ärzte, Hebammen, Pflegepersonal und Medizinstudierende.

Anmeldung:

Anmelden können Sie sich unter der Kongresswebsite, es fällt eine Teilnahmegebühr an:
www.dvr-kongress.de.

Neue Studie: NFP bei unerfülltem Kinderwunsch

NFP Schwangerschaftsrate nach ein bis zwei Jahren WartezeitIn diesem Jahr ist von der Sektion Natürliche Fertilität der DGGEF eine prospektive Studie zu NFP bei unerfülltem Kinderwunsch publiziert worden [1].

Zusammenfassung:

Welche spontanen Schwangerschaftsraten können erreicht werden, wenn Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch lernen, gezielt ihr fruchtbares Fenster im Zyklus zu beobachten? Zu dieser Frage wurde an der Universität Heidelberg eine prospektive Studie an 187 Frauen durchgeführt. Die Frauen hatten ein Training erhalten, die fruchtbare Phase im Zyklus und insbesondere die optimal fruchtbaren Tage (peak fertility) nach der Sensiplan-Methode zu beobachten (fertility awareness training). Anschließend wurden sie für acht Monate beobachtet.

Sensiplan steht für die symptothermale Methode der Arbeitsgruppe NFP, die wissenschaftlich abgesichert und im Praxisbuch „Natürlich und sicher“ beschrieben ist. (Quelle: nfp-online.de)

Die Frauen waren 21 bis 47 Jahre alt und hatten vor Studieneintritt bereits durchschnittlich 3,5 Jahre lang vergeblich versucht, schwanger zu werden (Range 1-8 Jahre). Frauen mit Amenorrhoe oder Tubenverschluss beidseits (sofern bekannt) oder mit schwerwiegendem männlichen Faktor (OATS III°) waren von der Teilnahme ausgeschlossen. Weitere sieben Frauen, die zunächst rekrutiert waren (zusätzlich zu den 187 Frauen), wurden schwanger während des Zyklus direkt vor dem Sensiplantraining: dies wurde als spontane Schwangerschaftsrate pro Zyklus in dieser Kohorte gewertet, die ohne fertility awareness training erreicht wird.

Ergebnisse

Die kumulative Schwangerschaftsrate bei subfertilen Paaren nach fertility awareness training war 38% (95% CI: 27%-49%; 58 Schwangerchaften) nach acht Monaten. Bei den Paaren, die seit 1-2 Jahren versuchten schwanger zu werden, stieg die Schwangerschaftsrate auf 56% acht Monate nach fertility awareness training. Beide Raten sind signifikant höher als die geschätzte basale Schwangerschaftsrate von 21,6% ohne fertility awareness training (diese basale Rate beruht in 6 von 7 Fällen auf Schwangerschaften bei Paaren mit 1-2jährigem Kinderwunsch). Wenn die Frauen seit mehr als 2 Jahren versuchten schwanger zu werden und älter als 35 Jahre waren (kumulative Schwangerschaftsrate 25%, p=0.06), war dies mit einer signifikant geringeren Chance verbunden, in der Zukunft noch spontan schwanger zu werden.

Schlussfolgerung

Fertility awareness training der Frauen zur Selbstbeobachtung des fertilen Fensters im aktuellen Zyklus scheint eine vernünftige first line Therapie im Management von Subfertilität zu sein.

Ergänzungen:

Was ist „fertility awareness“?:
Die Sektion Natürliche Fertilität empfiehlt zur fertiliy awareness die symptothermale Methode Sensiplan. Diese kann auch in Beratungskursen gelernt werden (Berateradressen und Kursangebote finden sich unter nfp-online.de). Die Methode beruht darauf, dass Frauen Veränderungen von Körpersymptomen im laufenden Zyklus beobachten (Zervikalschleimsekretion äußerlich an der Vulva und basale Körpertemperatur).
Für den Kinderwunsch wichtig: Über die Veränderungen des Zervixschleims wird automatisch der Beginn des fruchtbaren Fensters, die zunehmende Empfängniswahrscheinlichkeit und das Fruchtbarkeitsoptimum beobachtet. Der Temperaturanstieg zeigt das Ende der fruchtbaren Zeit an und bestätigt, dass eine Ovulation tatsächlich stattgefunden hat.

Aktuelle Entwicklungen:

Gibt es den Supercomputer bzw. das Superarmband, das die fruchtbare Phase misst, den Eisprung erkennt und alles komplett für die Frau übernimmt? Derzeit werden Apps und Fertilitätsmonitore entwickelt, die auf anderen (wie die o.g.) Parametern fußen. Bereits seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts testet man alle möglichen biochemischen oder physikalischen Parameter auf ihre Eignung zur Bestimmung des fertilen Fensters. Aktuell wird z.B. ein nachts anzulegendes Armband mit Sensorsystem namens Ava besonders propagiert, das Hauttemperatur, Pulsrate und anderes misst. Häufig ist eine gewisse Korrelation solcher Parameter zu den Zyklusphasen festzustellen, die in der Regel jedoch nicht eng genug ist, um für Kinderwunsch oder Kontrazeption geeignet zu sein.
Derzeit ist es weiterhin so, dass Frauen durch eigene Kompetenz am besten das fruchtbare Fenster feststellen können (wie man das lernt, siehe oben) und sich nicht von Werbung und Marketing einreden lassen sollen, dass neu entwickelte Produkte besser sind.

[1] Frank-Herrmann P, Jacobs C, Jenetzky E, Gnoth C, Pyper C, Baur S, Freundl G, Goeckenjan M, Strowitzki T (2017) Natural conception rates in subfertile couples following fertility awareness training. Arch Gynecol Obstet 295: 1015-24. https://doi.org/10.1007/s00404-017-4294-z

Fertilitäts- und Zyklus-Apps im Netz

Artikel bezieht sich auf die Ausgabe des Magazins Frauenarzt 58 (2017) Nr. 5, S. 378 bis 381

Autoren: G. Freundl,P. Frank-Herrmann, T. Freundl-Schütt, K. Görner, T. Strowitzki, L. Wallwiener, C. Gnoth – mehr auf der Über Uns Seite

Im Internet werden wir täglich mit Apps konfrontiert, die behaupten, Frauen bei der Beurteilung ihres Zyklus entscheidend unterstützen zu können. Da entsprechende Programme aus unterschiedlichsten Quellen stammen, sah sich die internationale Fertility-Awareness-Based-Methods(FAB = Natürliche-Familien-Planung = NFP)-Gemeinde verpflichtet, zur Qualität dieser Produkte Stellung zu nehmen. Sie rief deswegen sehr kurzfristig Experten verschiedenster NFP-Organisationen zu einem internationalen Meeting am 23./24. September 2016 in Cranbrook, Kanada zusammen. Die Autoren berichten im Folgenden kurz über aktuelle wesentliche Aspekte der Beurteilung von Zyklus- und Kinderwunsch-Apps im Netz aus europäischer Sicht.

Zyklus-Apps, cycle tracking apps, fertility tracker oder ähnlich benannte Programme überschwemmen derzeit die App-Stores. Sie versprechen Käuferinnen, dass Frauen damit ihren Zyklus und ihren Körper besser be­urteilen können und außerdem er­fahren, wie mit der jeweiligen App eine Schwangerschaft zu erzielen („to achieve pregnancy“) oder aber zu verhindern („to prevent pregnancy“) ist – ohne oder nur zu sehr geringen Kosten. Man findet diese Programme in vielen Sprachen weltweit und mit viel Werbung auf den dazu gehörenden Homepages. Sie erreichen in kürzester Zeit Tausende von Smart­phone-, Tablet- oder PC-Nutzerinnen, begegnen einem weitverbreiteten Bedürfnis nach Information über Körpervorgänge (Fitness-Apps, Fitness-Tracker) und versprechen Interessentinnen sogar Hilfe bei ihren täglichen Problemen. Über die Qualität dieser Apps sind allerdings die Informationen sehr spärlich und unzureichend. Zyklus-Apps wurden bisher von Fachleuten nicht in hinreichend geeigneten, prospektiven Studien getestet. Tests in Computer Zeitschriften oder Zertifizierungen vom TÜV reichen nicht aus. Deswegen sah sich die wissenschaftliche Gemeinschaft „Fertility Awareness“ aufgefordert zu reagieren, werden doch klassische Zyklusphäno­mene (Zyklusdauer, Symptome wie Basaltemperatur, Zervixschleim, Hormone im Urin, Brustspannen u. a.) in diesen Apps verarbeitet. Die Informationen über den eigenen Körper werden damit von den sozialen Medien in einem Ausmaß wahrgenommen, wie es sich die „ursprüngliche NFP“ oder „Fertility Awareness“ immer gewünscht hätte. Dabei haben allerdings die dahinterstehenden Akteure häufig von Physiologie wenig Kenntnis und sind auf dem Gebiet der „Fertility Awareness“ nicht aus-gewiesen (weder mit Publikationen noch Vorträgen). Dies war einer der Hauptgründe, dass sich die NFP-Gemeinschaft in einem internationalen NFP-Consortium-Meeting sehr kurzfristig zu einem Symposium in Cranbrook, British Columbia, Kanada traf.

Tabelle 1 - Teilnehmerzahlen

In Tabelle 1 sind die Teilnehmerzahlen aus den verschiedenen Ländern aufgeführt, die der kurzfristigen Einladung nachkommen konnten. Da nicht alle Organisationen vertreten waren, spiegelt der Teilnehmerkreis vor allem die amerikanisch-kanadische Perspektive wider. Das tägliche Erscheinen neuer Apps im Netz hängt mit dem immer noch exponentiell wachsenden Smart­
phone-Markt zusammen (s. Abb. 1), wobei die Zunahmen vor allem im asiatischen Raum, in Afrika und dem nahen Osten stattfinden. Technik der Geräte und rasant wachsende Zahl neuer Apps, die kaum einen Lebensbereich mehr aussparen, beflügeln sich gegenseitig.

Smartphone Anmeldungen 2014 bis 2020

Abbildung 1: Smartphone App Entwicklung 2014 bis 2020

Ein nicht unerheblicher Prozentsatz dieser Apps beschäftigt sich mit Fragen der Fertilität im Zyklus der Frau, ein sehr großer Markt der Zukunft bei zunehmender und teilweise aber auch herbeigeredeter Pillenmüdigkeit. Der Trend in Asien hat beispielsweise in China dazu geführt, dass fast täglich neue Start-ups ins Netz gehen. Bei diesen Neuanmeldungen handelt es sich meist um Programme, die lediglich abgeänderte Kalendermethoden als Basis haben. Der größte Teil der Programmierer speist sich offenbar aus medizinischen Laien, persönlich Interessierten und IT-begeisterten Anwendern.

Die Anwenderinnen selbst haben keine Möglichkeit, die Wertigkeit der Apps zu überprüfen, benützen sie aber dennoch zur Schwangerschaftsverhütung. Die individuelle Beurteilung ergibt sich aus Äußerungen von Anwenderinnen im Netz. Oft werden mehrere Apps heruntergeladen und parallel von der gleichen Benutzerin eingesetzt. Aus den verschiedenen Aussagen wird dann ein „Mittelwert“
gebildet („to triangulate fertile days“). Die in Kanada versammelten Teilnehmer haben sich zuerst mit der Frage der Entwicklung und Testung von Fertilitäts-Apps befassen und welche Ergebnisse bereits vorliegen.

Untersuchungen zur Beur­teilung von Fertility-Apps

Wir berichten zunächst kurz über die beim Symposium mitgeteilten Ergebnisse: Zunächst stellten einige Vertreter bestimmter NFP-Methoden bzw. Start-ups ihre Apps vor (Kindara, CycleProGo, NFP Dot) – wie vom Teilnehmerkreis zu erwarten vor allem unter amerikanischer Perspektive mit den entsprechenden Produkten (1, 2). Des Weiteren wurden Versuche diskutiert, anhand von Ratingsystemen den unübersichtlichen Markt zu strukturieren, um letztlich diejenigen Apps herauszufiltern, die sich zur Schwangerschaftsverhütung eignen bzw. zur Bestimmung des fertilen Fensters (3–6). So bewerteten beispielsweise Shaia und Mitarbeiter bei 2.179 unter dieser Fragestellung untersuchten Apps nur 0,32 % als nützlich für die Fragen einer unklaren Infertilität (6), bei Moglia und Mitarbeitern (4) blieben bei 1.116 gefundenen Apps nur 20 übrig, die teilweise Hilfe boten bei den interessierenden Fragen Kinderwunsch oder Schwangerschaftsverhütung. Duane et al. vertreten einen amerikanischen Zusammenschluss von Förde-
rern unterschiedlicher NFP-Methoden (FACTS), der sich in der Bewertung von FAB-Apps nach einem Scoring-System versucht hat. Diese Initiativen bestehen jedoch überwiegend nicht aus Wissenschaftlern oder medizinischen Experten auf diesem Gebiet, sondern aus Personen (Ärzten oder
Laien), die zu Beratern in bestimmten NFP-Methoden ausgebildet wurden. Für ein objektives Rating kommt erschwerend hinzu, dass meist nicht genügend Information zu den zugrunde liegenden FAB-Methoden und Auswertungsalgorithmen gegeben wird. Obwohl im Rahmen der Ratings viele Apps verworfen wurden, ist doch ein Teil der übrig gebliebenen Apps zu Unrecht als positiv bewertet worden. Beispielsweise wurden von der Gruppe um Moglia alle Apps als akkurat eingestuft, die eine Vorhersage des fertilen Fensters aufgrund der durchschnittlichen Zykluslänge von drei vorangegangenen Zyklen treffen. Weitere Fehlbeurteilungen finden sich bei FACTS: In Ermangelung eigener Effektivitätsstudien werden die sehr guten deutschen Ergebnisse zur Methode Sensiplan auf völlig andere Varianten der symptothermalen Methode übertragen (z.B. Lily). Berücksichtigt man des Weiteren, dass sich bei FACTS Vertreter unterschiedlich sicherer FAB-Methoden zusammengeschlossen haben, wird verständlich, dass Fehlerraten aus bekannten Studien nicht differenziert gewertet wurden und reine Kalender- oder Zervixschleimmethoden, ebenso wie einige nicht getestete Methoden, höchste Rankings erhielten.

Tabelle 2 - Fruchtbare Tage Methoden

Zusammenfassende kritische Wertung zu den Fertility-Apps

Methoden, mit deren Hilfe eine Frau selbst das fertile Fenster im Zyklus bestimmt, werden seit Jahrzehnten wissenschaftlich untersucht. Neu ist lediglich, dass die Beobachtungen der Frau in eine App eingegeben werden, die dann das fertile Fenster nach den Regeln der betreffenden Methode auswertet. Die bekannten und wissenschaftlich untersuchten Methoden unterscheiden sich erheblich in Auswertungsmethodik, kontrazeptiver Sicherheit und Eignung für den kulturellen Kontext (7). Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die kontrazeptive Sicherheit der FAB-/NFP-Methoden. Daraus lässt sich Folgendes ableiten:

  1. Eine wissenschaftliche Vorauswahl einer geeigneten FAB-/NFP-Methode, für die eine App entwickelt wird, ist unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nötig und möglich. Eine App wird maximal den Level an kontrazeptiver Sicherheit erreichen können wie die zugrundeliegende FAB-Methode.
  2. FAB-Methoden und Algorithmen, die sich bereits in den vergangenen Jahrzehnten (offline) als unsicher erwiesen haben, wie z. B. die alten Kalendermethoden, können bereits ohne weitere Studien als für europäische Standards zu unsicher ausgeschlossen werden. Deshalb können darauf aufbauende Apps a priori verworfen werden.
  3. Für europäische Standards, d. h. wenn eine sehr hohe Methodensicherheit erreicht werden soll, kommen a priori nicht infrage:
    −  jegliche Kalendermethode oder Standard-Tage-Methode,
    − Methoden, die das fertile Fenster nur mit der Zervixschleimbeobachtung bestimmen (Billings, Creighton, TDM usw.),
    −  symptothermale Methoden, die den Beginn des fertilen Fensters nur mit Zervixschleimbeobachtung bestimmen,
    − Temperaturmethoden, die den Beginn des fertilen Fensters mit Kalenderregeln oder anderen unsicheren bzw. nicht wissenschaftlich getesteten Konstruktionen festlegen,
    − Temperaturmethoden mit selbst konstruierten, nicht hinreichend getesteten Algorithmen.
  4. Für europäische/deutsche Standards bleiben aktuell nur diejenigen Varianten der symptothermalen Methode übrig, die Anfang und Ende der fertilen Phase jeweils in doppelter Kontrolle bestimmen und bereits in Effektivitätsstudien getestet wurden (z. B. die Variante der symptothermalen Methode, die von der Sektion Natürliche Fertilität der DGGEF empfohlen wird).
  5. Die auf sicheren FAB-Methoden fußenden Apps bedürfen dennoch einer prospektiven Effektivitätsstudie, da die real erreichbare Methoden- und Anwendungssicherheit dieser FAB in App-Form eruiert werden muss.

Bereits jetzt lässt sich festhalten: Die massenorientierten App-Produkte sind meist allenfalls kalenderorientiert (auch wenn sie die Symptombeobachtung zusätzlich propagieren), kostenlos und ohne Beratungsservice. Die FAB-Apps hingegen richten sich nach definierten, bekannten NFP-Methoden, haben durch den größeren Aufwand für die Anwenderin geringere Nutzerzahlen, einen Service und sind meist nicht kostenfrei. Wobei uns wichtig erscheint, noch einmal festzuhalten, dass auch innerhalb der FAB-Apps große Unterschiede hinsichtlich der kontrazeptiven Sicherheit zu erwarten sind – wie oben ausgeführt.

Qualitätsbeurteilung von Zyklus-Apps

Aus dem hier Berichteten ergibt sich, dass dringend qualifizierte Forschung zu Effektivität und Akzeptanz von – nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten vorausgewählten – Fertility- Apps im Sinne der Verbraucherinformation und des Anwenderschutzes nötig ist. Sie sollte nach den Kriterien erfolgen, die auch bei anderen Methoden der Familienplanung wissenschaftlich gefordert werden. Insbesondere sollte man folgende Punkte berücksichtigen:

− Existieren zuverlässige Publikationen zum verwendeten Algorithmus?
− Gehört die der App zugrunde liegende FAB-Methode zu den effektiven Familienplanungsmethoden?
− Wurden prospektive Effektivitätsstudien zur betreffenden App nach heutigen Standards durchgeführt?
− Sind die Studien von den Unternehmen selbst durchgeführt worden? Werden die Daten via App beim Unternehmen selbst gesammelt?

NFP App Übersicht

Situation in Deutschland

Über den derzeitigen Stand der Beurteilung von Zyklus-Computern und -Apps in Europa haben wir vor Kurzem in der Zeitschrift Gynäkologische Endokrinologie (8) berichtet. Die häufigsten in Deutschland 2016 heruntergeladenen symptomorientierten Apps zeigt Tabelle 3. Außerdem haben wir die uns bekannten Hersteller von deutschsprachigen Apps angeschrieben, um detaillierte Selbstauskunft zum verwendeten Algorithmus, zur Homepage, zum Benutzerhandbuch, zu vorhandenen Studien und eigenen Datenbanken zu erhalten. Die Auswertungen stehen in Kürze zur Verfügung. Die Sektion Natürliche Fertilität (www.ssektion-natuerliche-fertilitaet.de) hat außerdem eine prospektive Datenerhebung zu den beiden Apps myNFP und kurvenreich von August 2014 bis August 2016 initiiert. Nach einer Nachbeobachtungszeit von 12 Monaten wird in Kürze eine Auswertung hinsichtlich Akzeptanz und Anwenderverhalten durchgeführt. Im Internet und in vielen Medien wird derzeit auf eine App NaturalCycles hingewiesen, wobei die Beurteilung den Eindruck entstehen lässt, diese App sei für die Familienplanung validiert. Dieser Eindruck erweist sich als
falsch, wenn man die zugrunde liegenden Publikationen liest (9, 10). Sowohl die retrospektiv erhobenen Daten, das fehlerhafte Studiendesign, als auch der nicht validierte Algorithmus der Zyklusbeurteilung können die Effektivität der App für Verhütung und Kinderwunsch nicht nachweisen. Eine Zertifizierung durch den TÜV Süd kann an dieser Beurteilung nichts ändern. Zu diesem Thema wird in Kürze eigens Stellung genommen.

Fazit

Für Fertilitäts- und Zyklus-Apps existieren praktisch noch keine Unter­suchungen, die wissenschaftlichen Kriterien zur Beurteilung der Effektivität standhalten. Einige Entwicklungen sind hochinteressant, die Potenziale hoch. Zum jetzigen Zeitpunkt gehen aber die existierenden Anwendungen nicht wesentlich über ein Zyklustagebuch hinaus und können derzeit nicht zur effektiven Familienplanung empfohlen werden.

Literatur

bei den Autoren oder in der Online-Version des Beitrags unter www.frauenarzt.de nachzulesen auf Seite 378-381

Intessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass keine Interessen­konflikte vorliegen.

Stellungnahme zur Pressemitteilung des BVF e.V. vom Februar 2017

Die Sektion „Natürliche Fertilität“ kommentiert die Pressemitteilung des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF) vom 23.02.2017 zum Thema „Natürlichen Verhütung”

Der BVF hat in seiner Pressemitteilung unter der Headline „Natürliche Verhütung – warum sie nie ganz sicher ist“ Stellung zur Natürlichen Familienplanung genommen.

Als Vertreter der Sektion Natürliche Fertilität der DGGEF, die sich mit der Bestimmung des fertilen Fensters im weiblichen Zyklus, inkl. Zykluscomputer und neuerdings auch Zyklus-Apps beschäftigt, möchten wir uns in diesen Diskurs einbringen.

Wir stimmen zu: „Sich allein auf den Kalender und das Zählen der Tage zu verlassen, ist … extrem unsicher.“ Der aktuelle Hype um ständig neu auf dem Markt erscheinende Smartphone Apps (Fruchtbarkeit-Apps), die das fertile Fenster hauptsächlich oder u.a. auf Grundlage vergangener Zykluslängen berechnen, stellt deshalb aus gynäkologischer Sicht leider einen Rückfall in die 30er bis 50er Jahre des letzten Jahrhunderts dar.

Unter dem Begriff Natürliche Familienplanung (NFP) verbergen sich heute zahlreiche, zum Teil völlig heterogene Varianten mit meist unzureichender Studienlage, die zudem häufig für die Bedürfnisse der Entwicklungsländer konzipiert wurden. Die Aussagen der Pressemitteilung des BVF treffen deshalb auf einen großen Teil dieser Methoden zu.

Anfang der 1980er Jahre ist in Europa in Sachen natürlicher Verhütung ein verstärktes Interesse gewachsen, den historisch angesammelten Ballast auf den Prüfstand zu stellen und wissenschaftlich fundierte, praktikable und sichere Methoden zu entwickeln. In diesem Kontext hat sich eine Arbeitsgruppe NFP in Deutschland gegründet, die aufgrund kritischer Bewertung des internationalen Standes und eigener Studien zu dem Ergebnis kam, dass nur die sogenannten sympto-thermalen Methoden für die Bedürfnisse und Ansprüche der Frauen in unserer Gesellschaft infrage kommen. Bei diesen Methoden be­obach­ten Frau­en die zyklischen Ver­än­de­run­gen der Kör­per­temperatur und der Zervixsschleimsekretion im jeweils ak­tu­el­len Zy­klus. Die Arbeitsgruppe entwickelte dann aus den verschiedenen praktizierten Modifikationen eine eigene sympto-thermale Methode, die im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums mit einem überregionalen universitären Beirat von 1985-1991 bundesweit in umfangreichen prospektiven Studien evaluiert wurde (s.u. Schriftenreihe des Bundesministers).

Seit Ende dieses Projektes betreut die Arbeitsgruppe NFP der Malteser in Köln diese Methode unter der Trademark Sensiplan, die wissenschaftliche Arbeitsgruppe ist in der Sektion Natürliche Fertilität (SNF) der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsmedizin (DGGEF) aufgegangen.

Inzwischen wurde von der Sektion Natürliche Fertilität eine prospektive Datenbank mit über 43 000 Zyklusaufzeichnungen von mehr als 1700 Sensiplan-Anwenderinnen aufgebaut. Die Me­tho­den­si­cher­heit liegt hier bei 0,4-0,6 Schwan­ger­schaf­ten pro 100 Frau­en­jah­re, die Ge­brauchs­si­cher­heit bei 1,8 (deut­sche pro­spek­ti­ve Ko­hor­ten­stu­die: 900 Frau­en mit 17.638 Zy­klen). Sen­si­plan gehört damit zu den sehr si­che­ren Fa­mi­li­en­pla­nungs­me­tho­den und ist mittlerweile auch in anderen europäischen Ländern verbreitet. Bei an­de­ren sym­pto-­ther­ma­len Me­tho­den feh­len meist ent­spre­chen­de Da­ten zur Be­ur­tei­lung der kon­tra­zep­ti­ven Si­cher­heit.

Die bisherigen Studien zeigen, dass die Anwendungsbedingungen heute wesentlich praktikabler geworden sind, weshalb „eine sehr regelmäßige Lebensführung und auch ein regelmäßiger und zuverlässiger Zyklus“ nicht mehr erforderlich sind. Beispielsweise ist Temperaturmessen nicht mehr “täglich immer zur gleichen Zeit“ notwendig. Durch die doppelte Kontrolle der Temperaturkurve mit dem Zervixschleimsymptom ist die Ovulation im aktuellen Zyklus genau zu bestimmen, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie stattfindet. Auch die immer wieder geäußerte Ansicht: „viel Übung und Erfahrung braucht es, den Zervixschleim zu untersuchen“ und „viele Frauen können aber trotz Schulung keine Unterschiede im Aussehen und in der Zähigkeit des Schleims … feststellen“ entspricht nicht der tatsächlichen Erfahrung mit diesen Methoden. Umfangreiche Studien, unter anderem eine 5-Länder-Studie der WHO, konnten nachweisen, dass 93-95% der Frauen keine Probleme hatten, die Zervixsekretion differenziert festzustellen, wenn sie schriftlich-bildlich oder durch qualifizierte Beratung darin eingeführt wurden. Anwenderinnen lernen auch individuelle Störfaktoren zu erkennen und damit umzugehen, sodass sie in kurzer Zeit in der Lage sind, die Temperaturkurven nach einem fest definierten Regelwerk sicher auszuwerten. Für die zweite Hälfte des Zyklus nach der in doppelter Kontrolle festgestellten Ovulation bedarf es keiner weiterer Messung oder Beobachtung mehr.

Es gibt gute Gründe, den modernen natürlichen Familienplanungsmethoden den ihnen gebührenden Platz in der breiten Palette der kontrazeptiven Möglichkeiten zuzuweisen. Sie bieten eine sichere Alternative, auch bei Kontraindikationen zu anderen Familienplanungsmethoden und sie sind die einzigen Methoden, mit denen in gleicher Weise eine Schwangerschaft angestrebt oder vermieden werden kann.

In einer repräsentativen EMNID-Umfrage fanden 47% der Frauen deshalb die NFP-Methoden grundsätzlich als „interessant“ bis „sehr interessant“, wenn sie einen leichten Zugang zu diesen Methoden kennen würden.

Die aktuellen Entwicklungen in der Medien- und Informationslandschaft werden gerade diese Möglichkeiten eröffnen. So wie diese Techniken schon begonnen haben, unsere tägliche Praxisarbeit zu verändern, werden Frauen zukünftig bei der Suche nach kontrazeptiver Orientierung Informationen, Beratungen und Kontrollen ihrer Zyklusbeobachtungen erhalten und sich direkt mit entsprechenden Experten in Verbindung setzen können. Voraussetzung für die Qualität von auf Smartphones installierten Fertility-Apps ist, dass dem Auswertalgorithmus der App eine sichere NFP-Methode zugrunde liegt und die Zuverlässigkeit und Praktikabilität der App durch klinische Studien belegt ist. Alle derzeit uns bekannten Apps mit oder ohne Zertifizierung können diese Voraussetzungen nicht erfüllen und entsprechen meist im Wesentlichen einem „Zyklustagebuch“. Allerdings sind Bestrebungen erkennbar, solche brauchbaren Zyklus-Apps zu realisieren.

Dr. med. Petra Frank-Herrmann
Geschäftsführung
Sektion Natürliche Fertilität
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsmedizin (DGGEF)

Auszug aus über 150 Publikationen der Sektion Natürliche Fertilität
1. Arbeitsgruppe NFP (2015) Natürlich und sicher. Trias, Stuttgart
2. Der Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (Hrsg) (1988) Natürliche Methoden der Familienplanung. Kohlhammer, Stuttgart, Bd. 239
3. Döring GK Döring, Baur S, Frank-Herrmann P, Freundl G, Sottong U (1988) Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zum Familienplanungsverhalten in der Bundesrepublik Deutschland, Geburtsh Frauenheilk 46:892-897
4. Frank-Herrmann P, Heil J, Gnoth C, Toledo E, Baur S, Pyper C, Jenetzky E, Strowitzki T, Freundl G (2007) The effectiveness of a fertility awareness based method to avoid pregnancy in relation to a couple’s sexual behaviour during the fertile time: a prospective longitudinal study. Hum Reprod 22:1310-1319
5. Frank-Herrmann P, Sottong U, Freundl G, Strowitzki T (2015) Natürliche Familienplanung – Aktueller Stand. Gynäkologe 48:657-666
6. Freundl G, Frank-Herrmann P, Freundl-Schütt T, Görner K, Strowitzki T, Wallwiener L, Gnoth C (2017) Fertilitäts- und Zyklus-Apps im Netz. Frauenarzt 58:378-381
7. Freundl G, Godehardt E, Kern P, Frank-Herrmann P, Koubenec H, Gnoth C (2003) Estimated maximum failure rates of cycle monitors using daily conception probabilities in the menstrual cycle. Hum Reprod 18:2628-2633
8. Gnoth C, Godehardt D, Godehardt E, Frank-Herrmann P, Freundl G (2003) Time to pregnancy: results of the German prospective study and impact on the management of infertility. Hum Reprod 18:1959–1966
9. Gnoth C, Bremme M, Klemm R, Frank-Herrmann P, Godehardt E, Freundl G (1999) Research and quality control in natural family planning with relational database systems. Adv Contracept 15:375-380
10. Raith-Paula E, Frank-Herrmann P, Freundl G, Strowitzki T (2013) Natürliche Familienplanung heute. Springer, Heidelberg
11. The European Natural Family Planning Study Groups (1999). European multicenter study of natural family planning (1989-1995): efficacy and drop-out. Adv Contracept 15:69-83